Törnbericht Ostseeeilunh 2019

„Rund Rügen Schwung geholt und in Hasle auf Bornholm gelandet“

Törnbericht Ostseeeilunh 9. bis 23. August 2019
von Daniel Schrage

Segeln in Berlin – das wissen alle in der SVH – ist eine tolle Sache, aber einmal im Jahr verlangt unsere Crew und unsere Eilunh nach internationalem Gewässer.
Nachdem wir nun im letzten Jahr mehrmals eine reingesemmelt bekommen haben und wegen eines Getriebeschadens, Decksbelagerneuerung und schließlich einer nervenraubenden kompletten Überholung des Unterwasserschiffs unsere Fühler nicht nach Norden ausstrecken konnten, „musste“ dieses Jahr einfach alles klappen.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: so war es dann auch.

Nachdem wir im Laufe der ersten Augustwoche 2019 fleißig wie die Bienen Treibstoff, Wasser, Lebensmittel (auch Bier gehört wohl dazu) an Bord geschafft und den Mast gelegt hatten, kamen am Freitag, es war der 9. August, noch die feinen und frischen Sachen dazu. Pünktlich um 16 Uhr fanden sich Alfons, Daniel, Olaf und Oswald am Liegeplatz ein. Nun fehlte noch Jim, den wir in Greifswald aufnehmen wollten. Noch keine Tüte ausgepackt, hatten wir nach einem letzten Blick auf das Vereinsgelände die Leinen los geworfen und den Bug unseres Schiffes durch das Pichelsdorfer Gemünd gen Norden gesteuert. Was dann kam, war reine Routine. Wie nicht anders zu erwarten, war die Schleuse Spandau defekt und der Umweg über Charlottenburg und Plötzensee unausweichlich. Im Gegenzug war uns das Schicksal ausgesprochen gnädig gestimmt und alle Schleusen von Charlottenburg bis Hohensaaten West einschließlich des Schiffshebewerkes Niederfinow erwarteten uns mit offenen Toren. Alsbald fanden wir im Nieder Neuendorfer See einen schnuckeligen Ankerplatz, den wir kurz vor der Dunkelheit erreichten. Das schwindende Licht hielt unseren rastlosen Skipper Daniel nicht davon ab, abzutauchen und mit prallen Lungen das Grünzeug aus der Logge zu pusten.

Am Samstag um halb sechs hielt es unser Anker nicht mehr in dem schlammigen Seegrund aus und mit voller Fahrt ging es durch die üblichen Bollwerke in die Westoder. Schon vor acht Uhr abends machten wir in Mescherin fest und beglückten den Kumpel des herbeigerufenen Hafenmeisters mit dem bereits angefallenen (bescheidenen!) Leergut. Mit dem ersten Tageslicht um fünf Uhr am nächsten Morgen holten wir die Leinen ein und um acht Uhr hatte unser noch mastloser Rumpf die letzte Biegung in die Marina Goclaw im Norden von Stettin hinter sich gebracht. Ein komisches rotes Licht vor einer Brückenbaustelle in Stettin hatten wir geflissentlich übersehen, was dann so wohl auch in Ordnung war. Die Fahrt war in zeitlicher Hinsicht unsere bisherige Meisterleistung und wird von uns wohl auch nicht mehr zu toppen sein. Auch am Kran der Marina Goclaw klappte alles wie am Schnürchen: nach zwei Stunden hatten wir wieder ein richtiges Vollschiff und erreichten kurz nach Mittag Ziegenort, wo wir den Dieseldurst unseres Schiffes mit gut 30 Liter Treibstoff stillen konnten.

Marina Goclaw
Marina Goclaw

Das Oderhaff erwartete uns mit moderatem Wind aus der richtigen Richtung, so dass wir die Strecke bis zur Swine auf einer Backe abrutschen konnten. Um 16 Uhr machten wir im großen Hafen von Swinemünde fest und gönnten uns eine üppige polnische Fischmahlzeit nebst Pivo im Hafenrestaurant.

Eine Meldung über ein Minentransport auf der Swine Richtung offene See versetzte uns nicht in Angst und Schrecken, sondern animierte uns zum frühen Auslaufen, um der Gewässersperrung zu entgehen. Ziel war Lauterbach auf Rügen im Greifswalder Bodden, wo wir gegen 14 Uhr unter vollen Segeln einliefen. Das Ganze hatte sich bis auf eine kurze Zeit in der Nähe des Ruden, den wir unter Motor passierten, auf Steuerbordbug abgespielt. Obgleich wir die neue Hafenanlage von Lauterbach noch nicht kannten, zog es uns doch wieder in den alten Fischereihafen. Lauterbach bot die erste Gelegenheit, uns mit den vergessenen Lebensmitteln bzw. mit Frischfleisch einzudecken. Ein Crewmitglied konnte sich als Späher überzeugen, dass der Zirkus in Putbus noch immer nicht richtig in Schwung gekommen ist. Abends wurde der Bordgrill angeworfen, auf dem Smutje Olaf ein köstliches Abendessen zauberte. Da wir uns erst zu Mittwochabend an der Klappbrücke Wieck (Greifswald) mit Jim verabredet hatten, blieben wir eine weitere Nacht in Lauterbach und brachten den Tag bei leicht durchwachsenem Wetter mit Spaziergängen, kochen, lesen und philosophieren zu. Vereinzelt wurde auch die Körperpflege außer Bord groß geschrieben. Am Mittwoch ging es dann mal gemütlich zur Sache. Wir legten erst im Laufe des Vormittags ab, durchquerten den Greifswalder Bodden auf Backbordbug unter Segeln, absolvierten die üblichen Boje-über-Bord-Manöver und mussten feststellen, dass wir nichts verlernt hatten. Am frühen Nachmittag machten wir vor der Wiecker Brücke am Hafenamt fest und konnten dort mit Billigung des freundlichen Hafenmeisters nächtigen. Hier hatten wir Gelegenheit, die erfolgreichen Teilnehmer der Regatta rund Vilm zu begrüßen. Kurz vor elf kam Jim im Laufschritt an Bord, weil er wusste, dass Olaf einen riesigen Topf Chili con carne gekocht hatte und darüber gewacht hatte, dass sich keiner an seine Portion heranwagt.

Durch den Greifswalder Bodden
Durch den Greifswalder Bodden

Eigentlich sollte das Essen unsere Überfahrt nach Bornholm verschönern, die für den nächsten Tag geplant war. Aber wie das mit Plänen manchmal ist, wurde nichts daraus. Nach Verlassen des Greifswalder Boddens durch Landtief konnten wir wegen der Windvorhersage nicht ausschließen, dass wir die Rückfahrt zeitlich wohl nicht hinkriegen würden. Wir fuhren also nicht der Sonne entgegen, sondern jagten ihr hinterher. Vorbei an Mönchgut, Proraer Wiek, Jasmund, Stubbenkammer, ließen wir teils unter Einsatz unseres Gennakers Kap Arkona links liegen und kreuzten südwärts in das Fahrwasser zwischen Rügen und Hiddensee. Dort trafen wir querab wieder auf die Enten, die bei einer Wassertiefe von zehn Zentimetern ihren üblichen Abendspaziergang machten. Die Einfahrt in den Hafen von Vitte kriegten wir diesmal ohne Grundberührung hin, was uns alle erstaunte. Es lag wohl an der neuen Betonnung. Auf den üblichen Gang nach Kloster und auf den Dornbusch verzichteten wir zugunsten eines netten Beisammenseins an Bord und eines opulenten Abendessens. Eine kleine Nadelarbeit am Großsegel tat dem gemütlichen Abend keinen Abbruch.

Kap Arkona recht voraus
Kap Arkona recht voraus

Am nächsten Morgen gegen zehn – wir waren nun schon im Urlaubsmodus – kehrten wir ins Fahrwasser des Vitter Boddens zurück und mussten auf diesem Wege von dem drängelnden Kapitän der Schaproder Fähre zubrüllen lassen, dass wir mit unserem Tiefgang von einem Meter sechzig auch gut über den Schlick rutschen könnten. Wir blieben aber gelassen. Nach Erreichen des Hauptfahrwassers hielten wir uns südlich und konnten bei westlichem Wind praktisch ununterbrochen bis in den Stralsunder Stadthafen hineinsegeln. So viel Glück hatten wir in diesem Gebiet noch nie. Der kleine Hafenrundgang in Stralsund wurde von einer adretten Fischverkäuferin schamlos dazu ausgenutzt, uns einige Kilo fangfrischen Dorsch aufzuschwatzen. Diesen Deal haben wir jedenfalls nicht bereut und später in Stahlbrode eine köstliche Fischmahlzeit an Bord mit dem passenden Weißwein genossen. Die Brücke zwischen Rügen und dem Festland öffnete genau zur richtigen Zeit (15.30 Uhr). Die Fahrt durch den Strelasund mit Raumschot- und Schmetterlingskursen haben wir alle als besonders schön empfunden. Stahlbrode war der erste Hafen, im dem es Geräusche gab und die Wellen unter der Kaimauer unser Schnarchen beklatschten.

Im Strelasund
Im Strelasund

Weil wir nun schon mal so gut im links drehen geübt waren, durchmaßen wir den Greifswalder Bodden am folgenden Morgen ein weiteres Mal, bestaunten nochmals Mönchgut, durchmaßen das Proraer Wiek, bestaunten die Kreideküste und erreichten kurz vor 19 Uhr den schönen neuen Hafen von Glowe. Hier merkte man, dass die Sommerferien vorbei waren. Es war schon ein bisschen zu ruhig. Abends stellte uns Jim eine Paar große Schuhe hin und kochte sein unerreichbares Pilzrisotto. Da Jim und Olaf gewissenhafte Arbeitnehmer sind, mussten sie am Sonntag, also tags darauf, die Rückreise über Land antreten. Dazu bot sich Sassnitz als Ausgangspunkt an, weil man von dort aus die ganze Welt, also auch Berlin und Hamburg in kurzer Zeit erreichen kann. Wir drehten also diesmal rechts herum, setzten auch kurz den Motor ein und verabschiedeten die Freunde am frühen Nachmittag an der Steganlage von Sassnitz.

Nunmehr frei von jeglichem Termindruck machten wir verbliebenen drei uns am Montagmorgen (diesmal wieder etwas zeitiger) nach Bornholm auf. Es wurde ein super Ritt vor dem Wind, längere Zeit auch Schmetterlingssegeln. Vorübergehend waren wir dann wieder zu viert, weil uns ein Schweinswal nicht von der Seite weichen wollte. Weil alles so schön war, sind wir dann an der Hafeneinfahrt von Rönne vorbeigesegelt und im Abendlicht in Hasle eingelaufen.

Langer Schlag gen Bornholm
Langer Schlag gen Bornholm

Der Hafen wurde in den letzten Jahren aufgehübscht und bietet nunmehr eine fantastische Sauna mit Meerblick und Meerschwimmbecken. Eigentlich wollten wir hier zwei Nächte bleiben und Ausflüge auf der Insel unternehmen. Da für die nächsten Tage jedoch abnehmender Wind vorhergesagt wurde, brachen wir nach einer ruhigen Nacht und nach einem ausgedehnten dänischen Frühstück etwas unschlüssig gegen Mittag Richtung Südwesten auf und erreichten nach einer abwechslungsreichen Nachtfahrt und 106 Meilen gut einen Tag später Swinemünde und dann komplett unter Segeln durchs Oderhaff den polnischen Hafen Ziegenort, wo sich unser Kreis auf dem Meer schloss.

Ziegenort wurde in diesem Jahr runderneuert und hat sich zu einem netten und ruhigen Hafen gemausert. Unsere Idee, bereits dort den Mast zu legen, konnten wir nicht umsetzen, da der Kran zu unhandlich war. Also motorten wir gen Süden zur Marina Goclaw, legten mit Hilfe des dortigen freundlichen Kranführers den Mast und schwenkten alsbald wieder auf die Oder ein. Mit 6 Knoten tuckerten wir dahin und erreichten nach Einbruch der Dunkelheit immerhin Hohensaaten West, wo wir vor der Schleuse für die Nacht festmachten. Am nächsten Morgen wurden wir durchgewinkt, passierten das (alte) Schiffshebewerk, machten zwei Stunden Zwangspause vor Lehnitz und waren trotzdem am Freitagabend um 22.00 Uhr am Liegeplatz in der SVH, also rechtzeitig zum Sommerfest am folgenden Sonnabend…