Seebericht von Sebastian Johnke
Im August waren wir für vier Wochen auf der Ostsee unterwegs. Von Berlin bis Stettin, über Rügen, Rund Møn zurück über Rügen, Stettin nach Berlin. Insgesamt haben wir dabei 615 Seemeilen zurückgelegt, davon 257 Meilen unter Segel und 358 unter Motor. 189 Meilen davon entfallen allerdings auf die An- und Abreise von und nach Stettin.
Dieser Bericht ist eine überarbeitete Kurzfassung meines Blogs blog.travelographer.de, welchen ich während der Reise geführt haben.
22.07.2016
Berlin – Marienwerder
Motor 33 sm
Direkt nach der Arbeit treffen Zsu und ich uns am Schiff. Mit etwas Proviant fürs Wochenende machen wir uns um 16:15 Uhr bei schwülwarmen knapp 30° Celsius auf den Weg.
An der Spandauer Schleuse warten wir knapp 30 Minuten. Mit uns warten noch eine Handvoll anderer Boote, darunter die Waschpo und ein Dickschiff. Die Waschpo verlässt uns an der ersten Brücke, um einen direkt unter der Brücke ankernden Motorbootler zu verhaften und zu erschießen. Oder so ähnlich, vermute ich.
Um 20:15 Uhr erreichen wir die Schleuse am Lehnitzsee. Es sind keine Schiffe zu sehen und die Tore stehen offen, Ampel auf Grün. Ich drehe noch einmal kurz an der Pinne und wir rutschen ohne Zwischenstopp direkt in die Schleuse. Mit uns schleust noch ein weiterer Segler mit seinen zwei Kindern.
Es wird dunkel, außer unseren zwei Booten ist niemand mehr unterwegs. Unser Mitsegler ist leicht schneller, so dass wir sein Topplicht kurz vor Marienwerder aus den Augen verlieren. Wir halten uns mit Kaffee wach.
Um 23:00 Uhr laufen wir in die komplett volle Marina ein. Das Vorauskommando ist allerdings nirgends zu sehen. Wahrscheinlich ist er weitergefahren. Von einem schlecht gelaunten Hafenmeister werden wir auch zuerst abgewiesen, da alle Plätze belegt seien. Während wir im Hafenbecken wieder Richtung Kanal treiben und unsere Optionen für die Nacht überlegen, ruft er uns zurück, da wir möglicherweise genau zwischen die anderen Boote an die Stirnseite des Hafens passen.
Es passt.
23.07.2016
Marienwerder – Stettin
Motor 60 sm
Ich liege bereits um 03:00 Uhr wach und vertreibe mir die Zeit mit Tank auffüllen. Zsu wird kurz darauf wach und wir können um fünf direkt Richtung Schiffshebewerk starten. Vor uns legen zwei Frühaufsteher ebenfalls mit uns ab. Im Dreierpack fahren wir im golden schimmernden Morgendunst in die aufgehende Sonne, am Hafen Eberswalde vorbei, Richtung Schiffshebewerk. Immer geradeaus. Das Wasser ist klar bis zum vier Meter tiefen Grund. Um sieben machen wir an der Wartestelle fest. Und warten.
In die nächste Schleusung werden wir wegen eines Schubverbands nicht reingelassen, obwohl es noch viel Platz zu geben scheint. Im zweiten Anlauf klappt es dann. Wir brutzeln etwas in der Morgensonne.
Unser Dreierpack fährt an die rechte Kammerwand. Wir machen fest und steigen aus, um das Absenken besser bestaunen und ein paar Fotos machen zu können.
36 Meter weiter unten spuckt uns das Monster wieder aus und wir machen uns auf nach Hohensaaten. Der Kanal wird nach dem Hebewerk eher wieder zu einem Fluß und alles ist wieder etwas idyllischer und natürlicher.
Vor uns taucht Hohensaaten Ost auf. Eine große Schleuse, das Tor ist weit geöffnet und die Ampel steht auf Grün. Von Hohensaaten biegen wir nach links auf die Oder ein. Kaum sind wir im Fahrwasser, drückt uns der Fluß mit zusätzlichen vier km/h Richtung Stettin. Da wir gut in der Zeit liegen, rechnen wir uns aus, wann wir in Stettin sein werden und drosseln unsere Fahrt durchs Wasser. Der Außenborder macht weniger Lärm, wir sind trotzdem schneller und sparen auch noch Sprit.
Im ersten Teilabschnitt ist die Oder sehr flach. Ein Dickschiff vor uns fährt wilde Schlangenlinien entlang der Tonnen und Peilungen. Vorsichtshalber fahren wir den selben Kurs. Das Lot zeigt knapp zwei Meter Wassertiefe an. Sobald wir auch nur leicht von der Fahrrinne abkommen, sinkt die Anzeige schnell auf 1,50 m an.
Nach einer Stunde bleibt es ausreichend tief. Die Flußbiegungen werden weitläufiger. Weit genug, dass wir den Pinnenpiloten rausholen und auf Herz und Nieren testen. Da wir beide nicht mehr hoch konzentriert an der Pinne hängen müssen, können wir etwas entspannen und abwechselnd etwas schlafen oder uns sonnen und Essen machen. An der Oder gibt es auf dem Weg bis nach Stettin fast nur Natur. Einmal wird die Landschaft von der Ortschaft Gryfino unterbrochen, in deren Nähe wir den ersten Seeadler dieser Fahrt am Himmel entdecken.
Nach sechs Stunden erreichen wir Stettin. Wir sind froh, beim AZS anzulegen. Sonne und Motorgeräusche haben uns für heute genug gegeben.
Vorm Abendessen stellen wir den Mast, zwei Nachbarlieger helfen uns dabei. Leider verbiegen wir einen Wantenspanner. Der muss in der kommenden Woche noch schnell nachgekauft werden. Später werden wir von den beiden und dem Rest ihrer Crew noch auf einen Absacker auf Ihre „Gefion“ eingeladen. Sonntagmittag fahren wir mit dem Zug vorerst zurück nach Berlin.
30.07.2016
Stettin – Swinemünde
Segel 20 sm, Motor 18 sm
Um 05:30 Uhr stehen wir auf, um mit dem Bus nach Stettin zu fahren. Aufgrund einer Grenzkontrolle (!) kommen wir erst mit einer Stunde Verspätung an. Punkt zwölf ist alles an Bord verstaut und der neue Wantenspanner eingebaut. Die Rollanlage ist etwas schwergängig und knackt beim Rollen. Der Fehler lässt sich ohne Mastlegen allerdings nicht lokalisieren, also fahren wir erstmal los.
Bei acht bis zehn Knoten Wind fahren wir unter Segel mit Motorunterstützung Richtung Stettiner Haff. Wir haben fast 40 Seemeilen vor uns und wollen nicht zu spät in Swinemünde ankommen. Aus dem Hafen von Stettin wird ein riesiges Schiff mit Windanlagenfundamenten von zwei Schleppern Richtung Ostsee bugsiert. Wir folgen in respektvollen Abstand. Endlich an der Odermündung angekommen, können wir den Motor stoppen und bewegen uns nur noch mit Windkraft.
Der Wind bläst nun mit bis zu 18 Knoten bei wenig Welle aus etwa 90° AWA. Unser Schiff ist zwar überladen, kommt aber trotzdem geradeso ins Gleiten. Die Logge fällt nicht mehr unter sechs Knoten. Topspeed 6,8 Knoten. Ein toller Ritt. Auf halber Strecke schläft der Wind jedoch ein und dreht gegenan, so dass wir den Rest motoren. Die Rollanlage fällt komplett aus. Irgendein Teil blockiert. Vorerst ist also turnen auf dem Vordeck angesagt.
Gegen Sieben laufen wir im Hafen von Swinemünde ein. Wir bahnen uns den Weg zwischen großen Fähren und grauen Marineschiffen. Direkt vor der Einfahrt fängt es dann an, wie aus Kübeln zu schütten und wir werden komplett durchnässt, bis wir endlich anlegen. Das Ölzeug im Schiffsinneren ist dafür schön trocken geblieben.
Swinemünde ist eine vom Fährhafen geprägte Stadt, aber jetzt am Samstagabend trotzdem schon verschlafen. Wir finden aber noch ein nettes kleines polnisches Restaurant und lassen den Abend ausklingen.
31.07.2016
Swinemünde – Sassnitz
Motor 43 sm
Da kaum Wind angekündigt wurde, wollen wir schon um Sieben los. Der lange Anreisetag liegt uns aber noch in den Knochen, so dass wir erst um Zehn loskommen. Tagesziel ist Thiessow auf Rügen. Knapp 40 Seemeilen.
Direkt an der Hafenausfahrt geht’s auf die Ostsee. Endlich! Aber auch nur knapp zwei Knoten Wind direkt von vorn. Die Segel bleiben unten. Schade. Die See ist spiegelglatt. Wir passieren Usedom an Backbord und viele dicke Frachter an Steuerbord.
Auf Höhe der Greifswalder Oie stellen wir fest, dass es eigentlich schlauer wäre, heute schon Sassnitz anzulaufen. Eine Stunde mehr unterwegs, aber schon eine Station übersprungen, was möglicherweise eine gute Entscheidung ist, da morgen wieder Wind gegenan steht und die Prognose von Sassnitz aus besser aussieht.
Sonst passiert acht Stunden nichts. Kein Wind. Keine Sonne. Kaum Schiffe. Um 18:30 Uhr laufen wir in Sassnitz ein und bummeln noch durch die Stadt.
01.08.2016
Sassnitz – Lohme
Segel 13 sm
Beim Frühstück schaue ich mir unser Vorstag am Masttopp an. Der Splint, der das Vorstag und damit auch den Mast am Umfallen hindert, ist gebrochen. Der Mast muss gelegt werden, um den zu tauschen. Nachdem wir im U-Boot-Museum waren, trommeln wir zwei kräftige Männer zusammen, die uns dabei helfen.
Um 13:00 Uhr gehts los nach Lohme. Ein kurzer Schlag von neun Seemeilen. Zwei Stunden Fahrt. Wir starten nur mit Vorsegel, welches uns bei fünf Beaufort bequem auf Reisegeschwindigkeit katapultiert. Vorbei an den Kreidefelsen mit dem Königsstuhl. Die Sonne strahlt, aber am Horizont zeichnen sich dunkle Wolken mit Ansätzen von Windhosen ab.
Um den Königsstuhl rum dreht der Wind gegenan. Wir setzen das Groß ins erste Reff. In Böen stehen jetzt sechs Beaufort auf der Logge. Am Wind surfen wir bis zu zwei Meter hohe Brecher mit über sechs Knoten runter. Ein Höllenritt, aber auch ein Riesenspaß. Wenn man nicht aufpasst, geht direkt ein Brecher übers Boot. Das erste Mal alleine bei solchen Bedingungen unterwegs.
Hier und da hakt es noch, aber das bekommen wir in den nächsten Tagen besser hin: Stichwort Anleger in Lohme bei 20 Knoten und Seitenwind. Großes Hafenkino für die anderen. Das ganz schlechte Wetter hat uns allerdings umschifft, so dass wir den Abend im Restaurant mit Meerblick und Sonnenuntergang ausklingen lassen.
02.08.2016
Lohme (Hafentag)
Heute steht noch eine Wanderung entlang der Kreidefelsen bis Sassnitz an. Gestern vom Wasser gesehen, heute dann von Landseite. Bargeld holen. Den einzigen Automaten gibt es in Sassnitz und hier kann man ja nirgends mit Karte zahlen. Dafür mussten wir einen tollen Segeltag auslassen. Wind vier Beaufort. Morgen soll es dafür ähnlich gut bleiben. Und dann auch mit Wind von hinten.
03.08.2016
Lohme – Kloster
Segel 24 sm, Motor 5 sm
In aller Frühe starten wir von Lohme nach Kloster auf Hiddensee. Damit wir vor dem zum Nachmittag angekündigten schlechten und starkwindigen Wetter ankommen, geht es Punkt fünf los.
Auf See erleben wir bei knapp sieben Knoten Wind vor Kap Arkona einen tollen Sonnenaufgang. Entlang der Nordküste Rügens verschlechtert sich dann langsam das Wetter. Vor der Einfahrt nach Hiddensee haben wir schon 15 Knoten Wind und gut einen Meter Welle. Da wir die engen Fahrwasser nicht kennen, bergen wir rechtzeitig die Segel. Um elf legen wir an.
Mittlerweile regnet es in Strömen. Im Hafen bauen wir unsere Persenning auf, essen unser erstes Fischbrötchen, „retten“ unseren Boxnachbarn, der ins Wasser gefallen war und erkunden später bei weniger Regen schon einmal die Insel. Da es morgen besser werden soll, schieben wir einen Hafentag ein. Hiddensee ist schön, und wir wollen noch etwas mehr sehen, bevor es weitergeht.
04.08.2016
Kloster (Hafentag)
Wir schauen uns den Leuchtturm an, den wir schon bei der Anfahrt gesehen hatten. Unser nächstes Ziel Dänemark ist aber von dort noch nicht zu sehen. Anschließend wandern wir durch die Dünen zum Strand zum Baden. Zsu ist es zu kalt. 18°C. Ich drehe ein paar Runden.
Am Abend treffen wir unseren Griechenlandtörn-Mitsegler und Skipper mit Familie auf seinem Boot. Wir hatten uns völlig überraschend am Morgen getroffen, ohne vorher voneinander wissen.
05.08.2016
Kloster – Klintholm
Segel 33 sm, Motor 5 sm
In aller Frühe verlassen wir den Hafen zu unserem großen Schlag nach Dänemark. 32 Seemeilen über die offene Ostsee. Nach einer Stunde erreichen wir die Ausfahrt von Hiddensee und setzen endlich Segel. Bei acht bis zehn Knoten Wind und einem Kurs etwa 60° AWA ist Vollzeug angesagt, mit sechs Knoten unserem Ziel entgegen. Das Boot läuft heute wie auf Schienen und an Wind und Kurs soll sich bis zum Ende nichts ändern
In der Ferne entdecke ich eine Insel, die gestern noch nicht da war. Im Fernglas entpuppt sie sich als der obere Teil eines riesigen Containerschiffs, das gerade über dem Horizont auftaucht. Ein Vorbote der riesigen „Autobahn“, die wir auf halber Strecke queren müssen. Der Frachter ist lange weg, aber einem Öltanker müssen wir ausweichen, da sich unsere Kurse genau kreuzen.
Dann entdecken wir die Kreidefelsen von Møn am Horizont. Unser heutiges Ziel, das wie mittags, knapp zwei Stunden eher als geplant, erreichen. In Klintholm gibt es außer dem Strand, einem Imbiss, einem kleinen Laden und einigen Ferienwohnungen nicht viel. Dafür ist es herrlich ruhig. Zsu geht zum ersten Mal mit ins Wasser. Wegen des auflandigen Windes gibt es tolle Wellen am Strand.
06.08.2016
Klintholm – Stubbekøbing
Segel 12 sm, Motor 10 sm
Heute schlafen wir aus. Duschen lange, frühstücken ausgiebig auf dem Boot und beschließen dann, Kopenhagen nicht anzulaufen und dafür direkt in die dänische Südsee zu fahren. Unser nächstes Ziel soll Vordingborg sein. Knapp 24 Seemeilen, die erste Hälfte bei zwölf Knoten Wind genau gegenan, die zweite Hälfte im Storstrøm voraussichtlich unter Motor. Knapp fünf Stunden, wenn alles glatt geht.
Geht es natürlich nicht. Nach dreißig Minuten flaut der Wind komplett ab. Vor uns dazu eine große Regenwand mit Kurs auf uns. Ich berge gerade das Vorsegel, als der Wind dreht und schlagartig um 20 Knoten stärker wird. Windstärke sieben. Es baut sich auch direkt eine kleine Kreuzsee auf und die Wellenhöhe steigt von vorher einen auf knapp anderthalb Meter an. Und es regnet aus allen Kübeln. Unglaublich. Das Groß ist nicht gerefft, also reiten wir bei knapp 65° AWA die Wellen so gut es geht ab. Diese sind aber so kurz, dass wir trotzdem meistens einfach bretthart aufschlagen. Um nicht noch mehr Höhe zu verlieren, bergen wir auch noch das Groß und motoren, so gut es geht, direkt Richtung Storstrøm-Mündung.
Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei. Der Wind dreht zurück und fällt auf die alten zwölf Knoten. Die Sonne scheint wieder. In der Mündung setze ich wieder Segel. Bei 30° AWA hart am Wind geht es genau entlang der Fahrrinne. Im Strom angekommen steigt der Wind auf sechs Beaufort an. Da wir nun ohnehin wieder genau gegenan müssen und bei zwei Knoten Gegenströmung so nicht weit kommen, müssen die Segel wieder runter. Jetzt beginnt der Hack aber erst so richtig. Der Wind steigt bis auf Stärke sieben an. Es baut sich sofort eine kurze Hackwelle auf. Wellen aussteuern geht nur noch, wenn wir etwas abfallen. Dann drückt uns aber der Strom gnadenlos zurück. Also auf die harte Tour – voll auf die Fresse.
Dass das Boot das mitmacht beruhigt etwas. Trotzdem brechen wir auf halber Strecke auf Höhe Stubbekøbing, unser Ziel in Sichtweite, ab. Mehr ertragen wir heute nicht. Völlig durchnässt legen wir nach knapp sieben Stunden in Stubbekøbing an. Laut Wetterbericht waren das heute den ganzen Tag nur zwölf Knoten Wind. Na dann.
07.08.2016
Stubbekøbing – Vordingborg
Motor 9 sm
Nachdem wir den Stress von gestern verarbeitet und ausgeschlafen haben, fahren wir unter Motor die letzten zehn Meilen nach Vordingborg. Es sind wieder zwölf Knoten Wind angekündigt und wir messen 15 bis 18 Knoten. Dazu eine kurze Hackwelle. Aber es ist diesmal erträglich. Die Hafenmeister wissen diesen Sommer nicht mehr, welche Wetterberichte sie aushängen sollen, da sie ohnehin nicht stimmen.
Nach knapp drei Stunden kommen wir in Vordingborg an. Zwischendurch queren wir vorsichtig ein Flach und rupfen immer wieder Seegras aus Ruder und AB. Dann melden wir uns für eine Nacht in Kopenhagen ab.
08.08.2016
Kopenhagen (Hafentag)
Heute vertreiben wir uns die Zeit in Kopenhagen.
09.08.2016
Vordingborg – Gåbense Bro
Motor 6 sm
Heute versuchen wir, von Vordingborg weiter nach Westen in die dänische Südsee zu kommen. Der Wind steht weiter mit fünf bis sechs Beaufort gegenan. Dazu die bekannte kurze Welle im Storstrøm mit Gegenströmung von ein bis zwei Knoten. Ziel Femö.
Wir kommen nicht einmal bis zur Brücke. Kaum im Fahrwasser schlägt uns alles entgegen. Das halten wir keine 20 Seemeilen aus. Wir brechen ab und fahren nur unter Motor bis zum gegenüberliegenden Gåbense. Das reicht aber um komplett nass zu werden. Durch eine enge, sehr flache Einfahrt gelangen wir nach Gåbense Bro. Ein ehemaliger Fähranleger, der seit dem Bau der Brücke über den Strom von einem Bootsklub genutzt wird. Drinnen ist es, im Gegensatz zu Vordingborg, unterwartet windgeschützt. Außer uns hat sich nur noch ein weiteres Boot hierher verirrt, neben denen wir festmachen. Zwei Brüder aus Deutschland auf dem Weg nach Kiel.
Im Hafen und in Gåbense gibt es nichts. Nur Natur, was schön ist. Es ist wunderbar ruhig. Bis jetzt der schönste Hafen. Wir machen Spaghetti in der Vereinsküche (Bier nur 8 Kronen anstatt der 30 bis 55 Kronen wie sonst!) und kaufen ein paar Kleinigkeiten im Ort. Ich gehe im sehr klaren, aber nur knapp 18° Celsius kalten Wasser schwimmen. Abends sehen wir einen Seeadler aus nächster Nähe bei der Jagd. Danach werden wir zu den beiden Brüdern zum Bier auf ihr Boot eingeladen und lassen den Abend dort ausklingen.
Morgen geht es wieder zurück, allerdings nördlich um Møn herum. Der Wind wird uns noch mindestens eine Woche nicht gesonnen sein, so dass wir diese Entscheidung treffen müssen.
10.08.2016
Gåbense Bro – Kalvehave
Segel 12 sm
Wir schlafen aus. Nächstes Ziel nun mit dem Wind: Kalvehave. Nur unter Vorsegel schwanken wir bei weiterhin bis zu 25 Knoten Wind mit den Wellen im Kalve Strøm. Das ist quasi „binnen“ haben Sie uns gesagt. Fühlt sich trotzdem nicht so ruhig wie auf der Havel an.
In Kalvehave unter der Brücke durch und gegen Wind und Wellen die Fock bergen, außerdem regnet es natürlich in dem Moment wieder. Den Anleger in einer viel zu großen Box (12 x 5,5 Meter) verkacken wir voll und hängen halb hinter einem Motorboot im Heck. Außerdem ist der Hafen nicht sonderlich windgeschützt, dafür mit Blick auf die große Brücke.
Jetzt sind wir also tatsächlich auf dem Rückweg und nicht bis ganz in die dänische Südsee gekommen. Niemand keilt bei dem Wetter ohne Not gegenan, nicht einmal die großen 40-Füßer. Die Orte hier um Møn sind dazu auch sehr nett. Trotzdem schade.
11.08.2016
Kalvehave – Nyord
Motor 3 sm
Am Montag tut sich evtl. ein Windfenster nach Stralsund auf. Bis dahin müssen wir wieder in Klintholm sein. Wir beschliessen, die drei Seemeilen bis Nyord zu motoren und dann in einem Schlag nach Klintholm.
Nyord ist idyllisch. Das Wetter ist uns hold, so dass wir einen tollen Tag auf dieser Insel verbringen können. Dänemark wie aus dem Märchenbuch. Nyord ist nur von kleineren Schiffen anzulaufen, dazu quasi autofrei. Wir wandern durch den Ort und über die Insel, sehen mal wieder Seeadler und versinken in der Inselromantik.
Heute Nacht soll es Sternschnuppen geben – die Perseiden. Da es bewölkt ist, stelle ich aber nicht den Wecker. Um 00.30 Uhr werde ich wach und quäle mich aus dem Bett, um zur Toilette zu gehen und werde von einem klaren Himmel überrascht. Ich wecke Zsu und wir sehen zusammen dutzende, vor allem sehr helle Sternschnuppen. Schön.
12.08.2016
Nyord – Klintholm
Segel 24 sm, Motor 7 sm
Um sechs in der Frühe verlassen wir Nyord auf dem Weg zurück nach Klintholm. Es beginnt unter Motor durch eine enge Fahrrinne. Nach einer Stunde setzen wir Segel bereiten uns auf die restlichen 20 Seemeilen vor, zuerst ruhig bei 5 Knoten Wind. Unsere Segel spielen Mückenfänger.
Bei den Kreidefelsen fahren wir dicht ran um sie aus der Nähe betrachten zu können. Der Wind ist mittlerweile böiger bis zwölf Knoten, die See hier aber noch akzeptabel. Ums Kap rum knallt uns dann eine alte Grundsee entgegen. Die letzten fünf Meilen also richtig Sport. Bis zwei Meter Welle mal wieder weitestgehend gegenan. Ein Traum. Zum Glück sind die Wellen etwas länger, so dass sie sich diesmal gerade so ausreiten lassen. Lediglich der Aufschiesser zum Segel bergen bei der Einfahrt nach Klintholm wird sehr nass.
Wir liegen am selben Platz, wie vor einer Woche. Neben uns dieselben Schweizer und die Berliner vom PYC, die sich beide die ganze Woche nicht rausgewagt haben – mit doppelt so großen Booten. Aber auch wir planen jetzt zwei Hafentage ein, um das Wetterfenster am Montag abzupassen. Bis dahin erst einmal feinstes Hafenkino im Minutentakt. Anlegen der großen Boote bei 20 Knoten Wind. Die Dalben halten zum Glück einiges aus.
13.08.2016
Stege (Hafentag)
Heute Hafentag – mit dem Bus nach Stege. Die Stadt ist etwas größer mit einer Einkaufsstraße. Wir bummeln und versacken in zwei tollen Cafés. Im David’s gibt es ein unglaubliches Smörebröd, und im Kaffeehuset wunderbaren Kaffee, bei dem man aus einem dutzend Zubereitungsmethoden wählen kann. Abends noch ein leckeres Fischrestaurant in Klintholm. Das in Dänemark alles doppelt so teuer ist, haben wir mittlerweile akzeptiert. Egal.
14.08.2016
Møns Klint (Hafentag)
Ein weiterer Hafentag vor unserer Überfahrt. Wir schlafen aus und fahren dann mit dem Bus zu den Kreidefelsen Møns Klint. Diese sind noch beeindruckender als auf Rügen. Vom Besucherzentrum wandern wir einmal von oben, und dann unten am Strand entlang. Am Strand hört der Wanderweg, entgegen der Beschreibung, auf einmal auf, und wir müssen durchs Wasser, besser gesagt, durch oberschenkeltiefe Algenablagerungen waten. Zsu ist begeistert. Auf der anderen Seite finden wir dafür zur Entschädigung versteinerte Muscheln und andere kanpp 70 Millionen Jahre alte Fossilien.
15.08.2016
Klintholm – Stralsund
Segel 45 sm, Motor 11 sm
Um 06.00 Uhr setzen wir von Klintholm Segel, Ziel Stralsund, mit der Option zwei Stunden vorher, bei Barhöft, anzulegen. Wind ist für den ganzen Tag aus Nordwest mit etwa zehn Knoten vorhergesagt. Erst einmal stimmt das auch. Aus dem Hafen raus erwartet uns eine alte Welle von etwa einem Meter. Da wir mit den Wellen fahren, schwanken wir zwar etwas, aber die Fahrt ist sonst sehr ruhig und angenehm. Es ist leicht bewölkt.
Wir setzen einfach mal unseren Gennaker – das erste Mal für eine längere Strecke. Das Boot surft mit bis zu 8,5 Knoten über die Wellen. 30 Quadratmeter roter Teufel. Schnell und doch angenehm. Die Kreideküste verschwindet langsam hinter uns. Zsu sieht in der Ferne einen Schweinswal. Ich leider nicht.
Und dann rauscht unerwartet eine 18 Knoten-Böe rein. Das Boot schießt in die Sonne. Wir sind so überrascht, das wir die Schot nicht rechtzeitig aufbekommen. Dennoch verhält sich das Boot halbwegs gutmütig und wir bekommen die Lage nach einigen Sekunden in den Griff. Der Wind bleibt aber nun beständig stärker, zudem ist die Welle etwas höher. Nach dem zweiten Sonnenschuß bergen wir den Gennaker und segeln mit der Fock weiter. Beim Bergen wickelt sich der Genni ums Vorstag und reißt am Kopf ein. Zum Glück nichts, was sich nicht später mit Tape reparieren ließe.
Das Verkehrstrennungsgebiet passieren wir ohne Vorkommnisse. Einem Frachter fahren wir rechtzeitig vorher durch seinen Kurs. Am Horizont sieht man mittlerweile einen Windpark. Der Kurs passt, also fahren wir durch – Sightseeing auf dem Meer.
Irgendwann dann wieder Land in Sicht. Rügen. Gegen drei fahren wir bei Hiddensee in den Bodden Richtung Strelasund. Da wir das Revier nicht kennen, bergen wir die Segel vor der Einfahrt. Die Rinne ist zwar nicht breit, aber im Nachhinein betrachtet, hätte man bis Stralsund segeln können. Barhöft lassen wir rechts liegen und laufen kurz nach fünf im Stadthafen von Stralsund ein. Alles ist voll, aber wir passen noch zwischen ein Boot und eine kleine Brücke. Mit dem kleinen Ding gibt’s immer eine Lücke.
Geschafft. 55 Seemeilen, davon 45 übers Meer gesegelt. Weil wir vor dem Wind gehalst sind, anstatt Schmetterling zu fahren, waren es am Ende zehn Meilen mehr als mit direktem Kurs. Zeitlich hat sich das aber wenig genommen, da wir raumschots etwas schneller fahren konnten. Mit knapp einem Knoten Strom gegenan steht am Ende dennoch ein Schnitt von fünf Knoten über Grund auf dem GPS. Nicht so schlecht.
Wir sind zwar reichlich geschafft, aber in Stralsund gibt’s Fischbrötchen und wir erkunden die Altstadt. Später gehen wir noch ins Kino. So viel Zivilisation hatten wir lange nicht.
16.08.2016
Stralsund – Gustow
Motor 5 sm
Den Vormittag verbringen wir noch mit Bummeln in der schönen Stralsunder Altstadt. Gegen 14.30 Uhr legen wir dann ab, um die Brückenöffnung um 15.20 Uhr zu schaffen. Sobald wir auf dem Boot sind, fängt es wie aus Kübeln an zu schütten. Eine Gewitterfront rauscht durch. Bei bis zu 30 Knoten Wind machen wir am Wartedalben der Brücke fest. 30 Minuten später ist der Spuk vorbei und wir fahren durch die Brücke. Auf der anderen Seite erwartet uns Sonnenschein.
Kurs Naturhafen Gustow. Fünf Meilen nur mit Motor. Angekommen, machen wir fest, gehen spazieren und in einem Gutshaus essen. Der Hafen selbst ist gut gelegen und bietet alles inklusive. Das kennen wir bisher nur aus Dänemark. Rundherum gibt es sonst nichts. Ein kleines Dorf mit einem Laden und mehr nicht. Aber das reicht hier in der schönen Natur.
17.08.2016
Gustow – Lubmin
Segel 20 sm
Nach ausgiebigem Frühstück – heißt auf einem Kleinkreuzer: zwei Brötchen, was drauf und Kaffee (diesmal gekaufter aus der Marina und kein Instant) – machen wir uns auf nach Lubmin. Heute ist uns das Wetter hold und wir legen ausnahmsweise unter Segel ab. Bei etwa zehn Knoten Wind direkt von hinten machen wir den Schmetterling und lassen uns nach Lubmin treiben.
Die Windverhältnisse sind perfekt fürs Boot. Wir machen mehr Fahrt als alle Boote um uns herum. Die Dickschiffe sind zu schwer für den leichten Wind. Eine Bavaria 36 lassen wir stehen. Beim überholen sehen wir den Skipper eifrig an der Vorschot hantieren. Zwecklos. 🙂
20 Seemeilen später laufen wir in Lubmin ein. Das AKW ist schon von weitem zu sehen. Auf dem offenen Stück Bodden steht noch eine gute Welle, so dass Segel bergen für Zsu vorne mal wieder zur Achterbahn wird. Vorsegel bergen wir diesmal vor dem Wind hinter dem Groß. Das Groß selbst bei ca. 30° AWA. Das spart den größten Hack.
Lubmin hat einen langen Strand mit Dünen und angrenzendem Kiefernwäldchen. Wir, also ich gehe schwimmen, und wir gucken den Kitesurfern zu, die bei mittlerweile knapp 15 Knoten Wind ihren Spaß haben. Danach gehen wir Richtung stillgelegtes AKW. Merkwürdige Vorstellung direkt an einem AKW Urlaub zu machen.
18.08.2016
Lubmin – Krummin
Segel 23 sm
Nach einem ausgiebigen Seglerfrühstück ™ starten wir Richtung Kröslin. Einen Schwimmbagger umfahren wir großräumig. Das Flach an der Peenestrommündung nehmen wir knapp. Der Wind bläst weiterhin aus West mit 10 Knoten, also mal wieder perfektes Segelwetter, so dass wir einige Boote stehen lassen können.
Nach dem Mittagessen in Kröslin geht es direkt weiter. Wir wollen die Brücke bei Wolgast erwischen, um noch vor dem späten Abend in Krummin einzulaufen, deswegen Motor. Bei der Durchfahrt kommt uns ein Boot mit euphorisch winkender Crew entgegen. Da wir mit der Durchfahrt beschäftigt sind, winken wir zwar zurück, merken aber erst später telefonisch, dass uns Vereinskameraden entgegenkamen.
Nach der Brücke schnell wieder Segel setzen. Wir liefern uns ein Leichtwind-Battle mit einigen Polenbooten, die erstaunlich gut zu gehen scheinen. Irgendwann bemerken wir aber deren mitlaufende Maschinen.
Bei der Einfahrt ins Achterwasser nehmen wir die Kurve mal wieder knapp am Flach entlang, müssen dann aber Fischernetzroulette spielen. Ich erinnere mich grob, dass kleine Tore zwischen den knapp 400 Meter breiten Netzen beflaggt sind. Alles klappt wie gedacht und wir fahren Am-Wind-Slalom ins Ziel.
Krummin auf Usedom ist sehr schön. Neuer und gemütlicher Hafen mal wieder mitten in der Natur.
19.08.2016
Krummin (Hafentag)
Wir bleiben eine weitere Nacht, da am Abend Märchennacht mit BBQ, Harfenmusik und Märchenerzählungen angesetzt sind. Im Dorf gibt es noch ein uriges Café in einem nett hergerichteten Garten. Eine fette Katze, die dem Café auch ihren Namen gab, liegt auf einem freien Stuhl an unserem Tisch, während wir Kuchen essen. Der Abend wird nett, das BBQ ist toll, die Märchenerzählungen sind aber nicht so unser Fall.
20.08.2016
Krummin – Ueckermünde
Motor 28 sm
In aller Frühe legen wir um fünf in Krummin ab. Heute hat Zsu ihren letzten Tag an Bord, da sie ein paar Tage weniger Urlaub genommen hat. Während ich bei null Wind zur nächsten Brücke motore, legt sich Zsu nochmal schlafen. Sie verpasst allerdings einen schönen Sonnenaufgang und Seeadler bei der Jagd.
Nach der Brücke geht’s raus aufs Stettiner Haff. An der Peeneeinmündung kreuzen wir einen gigantischen Schwarm Kormorane. Eine gute halbe Stunde fliegen Vögel an uns vorbei. Müssen tausende sein.
Da Zsu ihren Zug erwischen muss, setzen wir bei weiterhin fast null Wind keine Segel. Um 12.00 Uhr kommen wir an, nachdem wir uns wiedermal einen Weg durch die allgegenwärtigen Fischernetze suchen mussten. Im Haff sind mehr Netze als im Achterwasser und auch undurchsichtiger beflaggt, so dass die Querung diesmal tatsächlich zum Ratespiel wird. Aber auch heute geht alles glatt.
In Ueckermünde verabschiede ich Zsu und erledige letzte Einkäufe vor meiner Solotour.
21.08.2016
Ueckermünde – Kamminke
Segel 10 sm
Der erste Tag nach Zsus Abreise soll nur aus einem kurzen Törn bestehen. Ich schlafe lange und mache mich erst gegen Mittag auf den Weg nach Kamminke, etwa zehn Seemeilen von Ueckermünde entfernt auf der gegenüberliegenden Seite des Stettiner Haffs auf Usedom.
Ab jetzt bin ich Einhandsegler!
Bei null bis fünf Knoten Wind fahre ich die ersten Meter weiter unter Motor. Direkt an der Hafenausfahrt sind natürlich wild die Fischernetze positioniert. Da diese nach wie vor nicht richtig markiert sind, wird es mal wieder zum Ratespiel, wo es durch geht. Wenigstens geht es nicht nur mir so. Um mich herum fahren die Boote lustige Kreise um die Netze. Am Ende haben wir uns alle wohl richtig entschieden. Zumindest bei mir hängt nichts am Boot.
Immer noch kein Wind, aber ich setze Segel. Da der Wind leicht achterlich einfällt, wird dies meine Einhand-Gennaker-Premiere. Der Pinnenpilot hält den Kurs und ich bediene die Leinen. Klappt erst einmal wunderbar. So treibe ich etwas Richtung Kamminke. Nach einer Stunde zieht der Wind leicht auf beständige fünf Knoten an, dreht aber auch etwas, so dass der Genni wieder runter muss.
Vor Kamminke geht das Fischernetz-Roulette wieder los. Eigentlich hätte ich einen leichten Anlieger direkt nach Kamminke Hafen fahren können. Die Fischernetze machen dies fast zunichte. Immer wieder abfallen, eine Durchfahrt finden und wieder anluven. Am Ende ist doch eine Wende fällig und dann hart am Wind in den Hafen und seitlich an der Kaimauer anlegen. Neben mir liegen am Ende noch ein Folkeboot und zwei weitere Kleinkreuzer. Alles kleine Boote. Eine Elfmeter-Yacht macht die Ausnahme.
In Kamminke gibt es außer zwei mittelmäßigen Biergärten direkt im Hafen nichts. Auch die Sanitäreinrichtungen werden nachts geschlossen. Alles wenig charmant. Angezogen werden hauptsächlich Tagestouristen von der nahegelegenen polnischen Grenze. Ich mache einen weitläufigen Spaziergang durchs Dorf und am Strand entlang, der immerhin ganz schön ist.
Als ich zurück komme, sehe ich die Masten der Boote wild schwanken. Im Haff hat sich eine leichte Welle gebildet, die sich im ungünstig gebauten Hafenbecken wild aufschaukelt. Am Nachbarboot ist bereits ein Fender an der Kaimauer geplatzt. Ich vertäue das Boot dreimal nach, finde aber keine zufriedenstellende Lösung. Dem Schwell ist nicht beizukommen. Ein älteres Pärchen legt Ihr Boot an einen Schwimmkran um etwas von der Kaimauer wegzukommen – mit wenig Erfolg. Zum Abend hin wird es dann gottseidank etwas ruhiger und ich kann dann sogar durchschlafen.
22.08.2016
Kamminke – Stettin
Segel 21 sm, Motor 13 sm
Kurz hatte ich überlegt, noch etwas länger in Kamminke zu bleiben. Nicht wegen Kamminke, sondern wegen Usedom an sich. Auf der Nordseite liegen die Seebäder mit Ihren endlos langen Stränden. Und Montags – also heute – fahren sogar Busse dorthin, oder man hätte sich ein Fahrrad aus der Leihstation nehmen können. Auf der anderen Seite: halt Segeln. Was sind da schon ein paar Strände dagegen. Die hatten wir ja jetzt auch schon oft genug.
Also geht es um 08:00 Uhr direkt weiter. Da vor Stettin keine weiteren besonderen Häfen mehr locken, geht es also in einem Rutsch dem Ende dieses Segeltörns entgegen. Der Wind steht günstig, dass ich direkt unter Segeln ablege. Im ersten Anlauf möchte das Boot nicht direkt von der Kaimauer weg. Einen kleinen Schubs meiner Stegnachbarn nehme ich als Starthilfe dankend an. Im Folkeboot vor mir schlafen sie noch, als ich lautlos an Ihnen vorbeigleite.
Dann raus, durch die enge Rinne und links abbiegen. Diesmal allerdings in einem weiten Bogen, um nicht wieder zickzack durch die allgegenwärtigen Fischernetze zu müssen. Die Fahrrinne sollte halbwegs frei sein. Der anfangs noch leichte Südwestwind zieht kurze Zeit später auf zehn bis 15 Knoten an und ich komme gut voran. Von hinten nähert sich langsam ein Segelboot. Das geht natürlich nicht. Das Rennen ist also eröffnet. Gennaker auspacken und los. Mein Schiff legt noch einmal einen Knoten drauf. Sechs Knoten stehen nun auf der Logge, sieben, kurz auch mal eine acht. Ich kann den Abstand halten.
In der Konzentration aufs Segeln habe ich leider den Kurs kurz vernachlässigt. Ich bin schneller gewesen, als gedacht und weit aus der Fahrrinne raus: Fischernetze, was sonst. Den ersten Packen kann ich noch weit umfahren, dann der zweite. Mit dem Gennaker kann ich nicht die Höhe fahren, die nötig wäre. Für einen Segelwechsel wird es langsam knapp. Ich entscheide mich dafür, unter Gennaker Höhe zu kneifen. Das funktioniert ganz ok, aber die Geschwindigkeit ist natürlich weg. Mein Verfolger ist nun deutlich näher gekommen. Ich kann sehen, dass ich von einer – ebenfalls solo gesegelten – Dehler 31 verfolgt werde. Insofern ist es keine Schande, dass ich das Rennen dann doch irgendwann verliere. Gegen eine gut gesegelte große Dehler kommt so ein kleines Ding dann doch nicht an.
An den beiden fetten Türmen geht es nach Süden Richtung Stettin, also anluven und am Wind die letzten Segelmeilen geniessen. Der Wind wird allerdings immer schwächer. Zum einen kann ich dadurch den Leichtwindvorteil meines Bootes nutzen, um wieder etwas auf die Dehler aufzuschliessen. Zum anderen wird es aber insgesamt dennoch etwas langsamer. Irgendwann ist mir der Wind zu schwach, die Sonne zu heiß und das Ziel zu weit entfernt, dass ich dann doch schweren Herzens den Motor starte.
Am Nachmittag laufe ich dann endlich, an den großen Schiffen vorbei, ins Stettiner Stadtzentrum ein. Letztes Jahr hat dort die North East Marina eröffnet, so dass man nun tatsächlich mitten in der Stadt liegen kann. Der Boulevard entlang der Kaimauer ist auch fast fertig. Den Rest des Tages verbringe ich in der Stadt, die sich heute nicht mehr ganz so hässlich und grau zeigt, wie noch vor einem Jahr. Bummeln, einkaufen und den Abend auf den Harkenterrassen in einem netten Restaurant ausklingen lassen.
23.08.2016
Stettin – Stettin
Motor 6 sm
Den zweiten Tag in Stettin verbringe ich damit, mit dem Boot entlang des Boulevards von einem Café zum nächsten Restaurant zu fahren, um dann abends kurz zum Tanken in der Marina Pogon anzulegen. Anschließend für die Nacht zum AZS, wo ich auch den Mast mit Hilfe einiger Segler stelle. Einer davon ein Berliner unseres Nachbarvereins SVSt mit seinem Folkeboot.
24.08.2016
Stettin – Oderberg
Motor 46 sm
In aller Frühe fahre ich los, parallel zur Oder durch den Kanal. Den ganzen Tag knallt die Sonne und es ist schwer, irgendwo Schatten zu finden. Zu zweit wäre die Rückfahrt einfacher. So muss ich knapp zehn Stunden in der Hitze brüten. Hinter der Schleuse Hohensaaten mache ich dann überglücklich in der Marina Oderberg fest und springe direkt zur Abkühlung ins Wasser. Zum Abendessen treffe ich den Mitsegler vom SVSt wieder.
25.08.2016
Oderberg – Berlin
Motor 50 sm
Heute also der letzte Tag an Bord. Früh los und am Schiffshebewerk um sieben als erstes Sportboot ankommen. Mir wird eine lange Wartezeit angekündigt. Zum Glück kommt aber 30 Minuten später ein Dickschiff, mit dem ich hoch darf. Nach dem Hebewerk weiter immer Geradeaus bis Berlin. Es ist weiterhin sehr heiß.
In der Lehnitz-Schleuse hab ich kleinere Probleme mit dem Festmachen. Das Boot vertreibt leicht, bevor ich alle Leinen fest habe. Hinter mir ein ungeduldiges Motorboot aus dem nur blöde Sprüche in meine Richtung zu hören sind, die auch nicht aufhören, als ich frage, ob Sie mir nicht helfen wollen, wenn es Ihnen doch zu lange dauert. Zur Unterstützung bekam ich dann weitere blöde Sprüche. Dafür hatte ich dann aber auch alle Ruhe weg, mein Boot noch einen Poller weiter vorne festzumachen.
An der Spandauer Schleuse bemerke ich langsam einen Sonnenstich, außerdem offensichtlich einen Sonnenbrand im Auge – trotz Sonnenbrille, Mütze und Sonnencremé. Die letzte Stunde wird zur Qual, aber irgendwie schaffe ich es noch, wieder bei der SVH anzukommen und anzulegen, wo ich – auf einem Auge blind – bereits freundlich empfangen werde.