Mit über 20 Knoten Rund Bornholm

Bericht von Karsten Lüttge

Es begann im Dezember: Auf meinem Geburtstagstisch lag ein Gutschein der Firma speedsailing.
Klang spannend, aber ich musste erstmal recherchieren, was es damit auf sich hatte: speedsailing ist Eigner von drei Volvo Ocean 60, nämlich der SEB aus dem Volvo Ocean Race 2001 / 2002, der ex Toshiba aus dem vorherigen Rennen, und – ja! – der illbruck. Illbruck? Klar, das war die Challenge, die 2001 / 2002 in Deutschland ein Segelfieber ausgelöst hatte, die Segeln plötzlich ins TV brachte, die sich aus dem Nichts in die Favoritenrolle gesegelt und als Neuling nach mehreren Rekorden das Rennen gewonnen hatte. Die Fernsehbilder von damals liefen vor meinem Auge ab, ein giftgrünes Boot, die Crew in giftgrünem Ölzeug. Ich würde also einen Tagestörn auf ebendieser illbruck mitsegeln!

Der Törn fand im Mai vor Warnemünde statt, bei Kaiserwetter – vier bis fünf Beaufort Wind, ca. 20 °C, wenig Welle. Skipper Olli stellte uns zunächst das Schiff vor, sieben Winschen, zwei Grinder, Backstagen, unter Deck weitgehend nackt bis auf ein paar Gepäcknetze als Kojen. Nacheinander wurden verschiedenste Segel gesetzt – von großer Fock bis hin zum 300 m² großen Gennaker, gerne auch mit einer zweiten Fock am Babystag. Wer wollte, kam auch mal ans Ruder – bei bis zu 13 kn Fahrt eine spannende Erfahrung.

Kaiserwetter vor Warnemünde
Kaiserwetter vor Warnemünde

Danach war ich angefixt. Der Veranstalter bot zur Warnemünder Woche die Teilnahme am „hanseboot Rund Bornholm“ an. Nach einigem Überlegen buchte ich. speedsailing schickte zwei Boote ins Rennen – die illbruck und die SEB. Ich entschied mich für die SEB.

Der Wetterbericht versprach ein aufregendes Rennen. Zwar war mit Regen zu rechnen, vor allem aber war auf der gesamten Ostsee eine stabile Westlage mit fünf bis sechs Beaufort vorausgesagt. Skipper Olli bekam leuchtende Augen: Seit Jahren hatte er versucht, den Streckenrekord für Rund Bornholm zu knacken, der seit 2001 bei knapp über 28 Stunden und 37 Minuten lag. Bei der Einweisung stellte er klar: es wird keine Kaffeefahrt, es geht um den Rekord, und der ist greifbar!

Noch geht’s nicht los
Noch geht’s nicht los

Wir starteten um 13:35 Uhr aus der Warnow heraus. Zunächst wählten wir eine relativ kleine Fock. Ein Gennaker lag bereit. Den schon im Startverfahren zu setzen wäre glattes Harakiri. Sofort nach Passieren der Startlinie am Kopf der Warnemünder Mittelmole wurden dann die Kommandos lauter – das Tuch musste schnell hoch. Rennfieber breitete sich aus. Das Schwesterschiff illbruck hatte den besseren Start gehabt und lag schon um einiges voraus. Ich stand am Grinder, den Kopf konnte ich nun ausschalten. Ich musste nur noch auf die Kommandos „Kite Trim“ und „Stop“ hören und jeweils kurbeln oder eben wieder aufhören. Mir gegenüber stand Bernd, ein weiterer Gast an Bord. Wir waren nicht eingespielt, die Kurbeln waren recht groß, wir mussten uns erstmal finden. Konrad, der Trimmer, wurde schnell ungeduldig: „Das muss schneller gehen!“. Steuern konnte ich bei diesem Törn vergessen – Olli würde sich bis zum Zieleinlauf nur kurz und nur von seinem Ko-Skipper ablösen lassen.

Mein Arbeitsplatz
Mein Arbeitsplatz

Trotz fleißigem Trimm vergrößerte sich der Abstand zur illbruck auf sieben Seemeilen. Das restliche Feld hatten wir hingegen längst hinter uns gelassen. Die Volvo Ocean 60 waren einfach die schnellsten Schiffe in diesem Rennen, den Kampf um das First Ship Home würden wir unter uns ausmachen. Wir setzten einen größeren Gennaker, trimmten sorgfältig, der Speed war gut.

Speed
Speed

Irgendwie war dennoch der Wurm drin. Entgegen aller Vorhersagen fuhren wir vor dem Darß in die erste Flaute, die illbruck segelte derweil mit Privatwind und vergrößerte den Abstand weiter. Mist! Das ist ja wie in Berlin, dachte ich noch – eben noch auf der Backe gelegen und nun totaler Stillstand! Olli hingegen sichtete im Westen ein Regengebiet. Könnte Wind bringen, evtl. viel Wind. Also Peelen (Ein Segel wird im anderen gesetzt) auf einen schwereren Gennaker, in Erwartung heftiger Böen. Der Regen kam, die Böen nicht, also wieder den leichten Gennaker rauf. Der war inzwischen zum Setzen neu verpackt worden – dazu brauchen fünf Crewmitglieder 15 Minuten! So geht das bis abends mit weiteren Regenschauern und Winddrehern. Also – wie Segelwechsel auf einer VO60 geht, weiß ich jetzt schon mal.

Bevor ich um 22:00 Uhr für drei Stunden meine erste Freiwache antrat, wurde das Wetter schön und die Logge zeigte mittlerweile 17 kn. Bornholm war schon zu sehen. Dabei lief das Schiff wie auf Schienen. Schien eine ruhige Nachtruhe zu werden.

Abendstimmung
Abendstimmung

Ich stieg in eine freie Koje. In Luv natürlich, wollte ja keinen Ärger mit dem Skipper riskieren. Das Schiff lief ruhig, aber schnell. Man hörte es. Bis zu 22 kn, erfuhr ich später! Bis 01:00 Uhr ging meine Freiwache, dann war Wecken. All Hands! Wir hatten gerade Bornholm umrundet, nun ging es an die Kreuz: Mal wieder Segelwechsel. Erst jetzt hatte ich kurz Zeit mich zu orientieren: Das grüne Licht hinter uns war die illbruck. Wir hatten sie während meiner Freiwache überholt!

Ab jetzt gibt’s keine Bilder mehr. Warum? Die Fahrt wurde zunehmend unangenehm. Leichtes Unwohlsein machte sich breit und steigerte sich zur Seekrankheit. Details erspare ich Euch, zum Glück traf es mich nicht alleine, auch Mitglieder der Stammcrew wurden so außer Gefecht gesetzt. Mit dichten Segeln und ca. 11 Knoten ging es derweil konstant gegenan, der Wind betrug bis 30 kn, die Welle geschätzte 1,50 m, was bei dem Tempo auch mit einem 60-Fuß-Schiff ziemlich unangenehm war.

20 sm vor der Ziellinie stellten wir fest: Die alte Rekordzeit läuft in zwei Stunden ab, die Logge zeigte so um die 10 kn, ui, das wird knapp, aber es könnte noch klappen! Also wurden noch mal alle Kräfte mobilisiert, das Babystag-Segel gesetzt, die Ballasttanks geleert und die Crew auf die hohe Kante beordert. Ab jetzt wurden Groß und Kite wieder aktiv getrimmt. Konrad steuerte jetzt, mit kleinen Bewegungen, der Speed pegelte sich bei 11 kn ein, dann auch mal wieder drunter. Es blieb extrem knapp. Olli fing an zu rechnen, googelte noch mal den alten Rekord. Warnemünde kam in Sicht. Sieht gut aus!

Zu guter Letzt sahen wir, dass gerade eine AIDA ablegte. Ach Du Sch… – wenn die jetzt ausläuft, kommen wir nicht mehr durch! Es wurde knapp, aber wir fuhren über die Ziellinie, noch bevor die AIDA die Molenköpfe passierte. Hinter dem Ziel wurde es dann eng, dutzende Schiffe fuhren mit der AIDA raus und wir schlängelten uns dazwischen durch, um gleich an der Mittelmole anzulegen. Noch bevor wir da waren, kam ein Schlauchboot der Regattaleitung und brachte uns zwei Kisten Bier. Nach dem Anlegen gab es Schampus und viele Gratulationen, von der Regattaleitung wie vom speedsailing-Team.

Vor allem aber: Die offizielle Bestätigung – der Rekord ist verkürzt auf 28h 34min 30s!

Weitere Infos

Onboard-Videos von Start und Zieleinlauf, Siegerfotos findet Ihr auf der facebook-Seite von speedsailing:

Video
Siegerfoto
Rekordfoto