Bericht von Walter Schmidt, im Januar 2018
„When the wind is from the east, ‘tis neither good for man nor beast“
Ihre Sekretärin sagt, Sie segeln auch? Wer kann schon nein sagen, wenn er von seinem treuesten Mandanten auf einen Segeltörn auf die Kanaren eingeladen wird? Ich konnte nicht, zumal der letzte Törn eher von Flaute gezeichnet war. Aber wir wissen, kommt der Wind schon nicht aus der falschen Richtung, ist er entweder zu schwach oder zu stark.
Wir lesen uns ein:
Aus: A. Hammick und H. Keatinge, „Atlantic Islands“, RCC Pilotage Foundation, 6th Edition
Die Marina von Puerto de Mogan ist eigentlich recht hübsch. In den Kneipen um die Liegeplätze betreiben vorwiegend Ex- und Möchtegernsegler 70+ das Hafenkino, während sie mit ganztägigem Bierkonsum ihre Adipositas pflegen. Die Tide macht gut und gerne eineinhalb Meter aus und so kann das Ein- und Aussteigen durchaus zur Kletterherausforderung werden. Unsere Bavaria 49 (wie fast jedes dritte Segelboot hier) liegt nachmittags gut 2,5 Meter unter der Molenkante und besonders gerne einen Meter neben der Leiter.
Die Duschen vermitteln einem schnell den Eindruck, dass es ein harter Törn werden könnte. Von den Toiletten ganz zu schweigen. Generell fallen die Marinas auf den Kanaren deutlich hinter denen in Kroatien zurück, sind aber mit 35 – 45 Euro pro Nacht für ein 15 Meter Boot auch wesentlich günstiger. Ankern ist wegen der steilen von Vulkanen geschaffenen Küste so gut wie nirgendwo möglich. So fährt jeder der nicht zufällig 800 Meter Ankerkette dabei hat nachts in eine Marina, die entsprechend voll ist. Wer nicht vorab reserviert, hat schlechte Karten einen Platz zu bekommen. Rechtzeitig vor Einfahrt in eine Marina gilt es sich über Funk anzumelden und den Marinero zu bestellen. Auch der Diesel ist mit 95 Cent/Liter recht günstig.
Neben uns liegt ein Boot mit fünf Typen, von denen scheinbar jeder gerade 1.500 Euro für Klamotten im Mustoshop gelassen hat. Sie haben ein Schwerwettertraining gebucht und laden mich auf ein Bier ein. Gleich morgen früh geht es rüber nach Teneriffa. Da ist „Rock’n’Roll“ auf dem Wasser angesagt. Dann weiter nach La Gomera, wo es in der Düse dann richtig „Rambazamba“ gibt, freuen sie sich. Ich wünsche alles Gute und kann beim besten Willen nicht verstehen, warum fünf symphatische Männer in meinem Alter unbedingt für einen Haufen Geld eine Nahtoderfahrung buchen.
Beim Abendessen erklärt uns der Skipper seinen Plan. In Las Galletas auf Teneriffa gibt es einen Suuuperitaliener, wo er unbedingt mal mit mir hin muss. Dann weiter nach La Gomera, da hatte er letztens in San Sebastian einen echt tollen Brandy. 😳
Puerto Rico – Reich nur an Bausünden
Am nächsten Morgen das klassische 7-8-9 und wir legen tatsächlich 9 Uhr c.t. ab. Die See ist ruhig und der Wind mäßig, was sich aber bald ändert. Der Wind frischt zügig auf und entwickelt sich schnell zu einer stehenden 7 und bleibt dann auch für den Rest des Tages so. Rein in die schweren Klamotten und die Sicherungsleine eingeklickt, wird die Fahrt zum flotten Ritt. Höher als 240 Grad geht lange nicht. Erst nach ca. 4 Stunden sind 300 Grad und später noch ein wenig mehr drin. Der Wind kommt hier zumeist aus Nordost. Die Wettervorhersage ist regional wenig granular und die allgemeine Empfehlung ist, in den acceleration zones 15 Knoten zu den vorhergesagten Windgeschwindigkeiten dazuzurechnen. So erleben wir um die 40+ Knoten Wind. Drecknass und ziemlich erschöpft erreichen wir nach fast zehn Stunden ohne eine einzige Wende oder Halse die Marina von Las Gallettas. Dort ist der Strom ausgefallen, weswegen es in der Dusche nur kaltes Wasser gibt. Der tolle Italiener hat zu und ich esse den ekligsten Buritto überhaupt.
Neben uns liegen – die Schwerwetterjungs! Vier von den fünfen wurden seekrank, weiß deren Skipperin (sic!) zu berichten. Bei uns musste sich nur einer übergeben. Fast vorbildlich nach Lee, nur in die Winsch hätte echt nicht sein müssen.
Der nächste Tag lehrt mir, dass es zwischen 7 und gelegentlichen 8 einen sicht- und spürbaren Unterschied gibt. Sicher schreckt den einen oder anderen Leser sowas noch lange nicht. Was mich anbelangt, hat mich das schon beeindruckt. Das muss ich nicht jeden Tag haben.
Das schöne an den Kanaren ist, dass keine Insel mehr als einen Tagestörn von der nächsten entfernt ist. Wer bis neun Uhr aufbricht, braucht keine Nachtfahrt einzuplanen. Beeindruckend und wohl auch gefährlich ist, wie unglaublich schnell sich die Wetterbedingungen hier verändern. Binnen Minuten kann das beschauliche Dahinsegeln zum Starkwinderlebnis werden, was dann aber eine halbe Meile weiter schon wieder Vergangenheit ist. Hier arbeitet Neptun mit dem Ein/Ausschalter. Jede Schaumkrone am Horizont veranlasst einen vorsorglich zu reffen. Die Düse zwischen den Inseln ist enorm. Die Kanaren sind beliebter Ausgangspunkt für die Barfußroute und so trifft man auch den einen oder anderen, der auf dem Sprung über den Teich ist und schon verklärt vom ersten Steak in Peter’s Cafe Sport auf Horta träumt. Man kommt schell ins Gespräch.
Vor der Playa des Americas wohnt eine Herde Babywale, die wir besuchen wollen, sich aber von uns eben so wenig finden lassen, wie von den vielen kommerziellen Whalewatchern. Dafür deutet eine Heerschar tief kreisender Möwen auf Delfine hin, die uns dann auch tatsächlich im Dutzend umschwärmen.
Die Rückfahrt ist ruhig. Bei Sonnenschein und stetem Amwindkurs, einem knappen Meter Welle und sechs bis gut sieben Knoten durch das Wasser macht der Job am Steuerrad echt Laune. Kein Vergleich. So soll es sein. Der Wind kommt aus Süden, die Wolken ziehen nach Süden (doch!) und die Wellen kommen aus dem Norden. Die Dünung entsteht weit entfernt und ist von den Inseln geprägt und so lässt der Wind wenig Rückschlüsse auf die Wellenbedingungen zu. Mit Kompasskurs fast durchgängig 120 Grad ordentlich Stromversatz sind wir nach ca 8 Stunden Überfahrt zurück in Mogan. Vor dem Hafenbecken können wir noch fliegende Fische beobachten. Am nächsten Morgen machen wir selbst den Abflug.
Kaum zurück in Mogan, ist das Wetter schon wieder besser.