Ostseeeilunh 2021
oder „Und alle dachten: Das ist der erste Post-Corona-Törn mit der Eilunh“
Ein Törnbericht von Alfons Schrage
Dieses Jahr ging es zwar später, aber einen Wochentag früher los als in den vergangenen Jahren. Am Donnerstag dem 26. August 2021 wurden am Nachmittag die Festmacher an die Haken der Dalben und des Steges unseres Liegeplatzes auf der Charlottenburger Seite der Seglervereinigung Havel e.V. gehängt.
Also „Leinen los!“ und ab auf den Weg zur Ostsee! Die erforderlichen Vorbereitungen wie den Termin für einen mehr oder weniger gemeinsamen Törn finden, Proviant bunkern und Mast legen waren allen wie üblich leicht von der Hand gegangen.
Die erste Crew!
An Bord waren nun zunächst Alfons, Oswald und Olaf mit Tochter Hannah, also das perfekte Überführungsteam! Bei guter Laune ging es auf die bekannte, aber immer wieder abwechselungsreiche Strecke über die Kanäle nach Stettin. Trotz des fortgeschrittenen Jahresverlaufs und der kürzer werdenden Tage wurden die üblichen engagierten Etappen gefahren, weil die Schleusenwärter durchweg gutwillig waren. Nach einer ersten Übernachtung vor Anker im Nieder Neuendorfer See wurde am zweiten Tag bei schon fortgeschrittener Dämmerung Gartz erreicht. Also Polen in Sichtweite! Aufgrund des morgendlichen Nebels konnte der weitere Weg erst am späteren Samstagmorgen fortgesetzt werden, so dass die Eilunh erst am frühen Nachmittag in der Marina Goclaw im gleichnamigen Stadtteil von Stettin, also nach der letzten Brücke, festgemacht werden konnte. Olaf und Hannah mussten dann aufgrund von schulischen und beruflichen Pflichten leider von Bord gehen und per Straßenbahn und Zug nach Berlin zurückkehren. Beide wären gerne noch geblieben, um auf´s Oderhaff und auf See hinauszufahren.
Nachdem Daniel noch ein paar angenehmen Aufgaben in Berlin nachgegangen war und u.a. den Geburtstag seiner siebenjährigen Tochter gestaltet und gefeiert hatte, machte er sich am Sonntag lange vor Sonnenaufgang auf den Weg zur Eilunh und der dort verbliebenen Crew. Am Mittag konnte im Nieselregen gemeinsam der Mast gestellt werden. Es ist immer wieder eine freudige Überraschung, wenn der etwas altersschwache Elektrokran trotz Regens funktioniert. Bei anhaltendem und zeitweise stärkerem Regen ging es mit Rigg, aber vorerst ohne angeschlagene Segel ca. 13 sm unter Motor nach Ziegenort in den modernen Hafen. Dort hat man den ersten Blick auf´s offene Wasser.
Das Seezeug sieht wirklich noch gut aus, ist aber überhaupt nicht mehr dicht! Der Weihnachtsmann wird’s richten!
Unterdessen hatte der Regen aufgehört, so dass die Eilunh am Steg mit Segeln versehen wurde und nun für den Ostseetörn bereit war. Die Crew freute sich auf das Abendessen und so ging es ins obligatorische Restaurant Portowa. Zum ersten Mal saßen wir drinnen, was am verregneten Tag oder auch an der späten Jahreszeit lag.
Am nächsten Tag entschieden wir uns aufgrund der für diesen und die nächsten Tage vorhergesagten nördlichen Winde für den historischen, aber längeren Weg durch den Peenestrom. Somit konnte nun auch Oswald diesen landschaftlich reizvollen Weg kennenlernen. Unsere Entscheidung bescherte uns einen wundervollen, wenn auch noch trüben und vereinzelt mit Regen erfrischten Segeltag. In knapp sechs Stunden ließen wir 30 Seemeilen von Ziegenort bis nach Karnin, am westlichen Rand des Stettiner Haffs gelegen, hinter uns. Die funktionslose Hubbrücke mitten im Strom sorgt immer wieder für interessanten Gesprächsstoff. Im Haff konnten wir uns an Wind und Welle gewöhnen.
Gerefft durchs Haff
Wenden mussten wir nur zweimal, um einem Fischernetz auszuweichen. Man ist jedesmal unsicher, wo man nun vorbeikann. Bei um die vier bis fünf Beaufort genügte das Großsegel mit Reff 1 und ein Drittel der Genua. Weil keiner nach unten wollte, vernachlässigten wir die Mittagsversorgung. In Karnin angekommen gingen wir daher bald zum Imbiss, den die etwas dröge Hafenmeisterin betreibt. Wie immer gab es keine Bratkartoffeln für uns. Nur die Erklärung (oder Ausrede?) variiert. Unser Hunger ließ uns Matjes bzw. Bockwurst mit Kartoffelsalat und Brötchen sowie kalte Getränke bestellen. Zurück an Bord zeigte sich tief am westlichen Abendhimmel ein rötlicher Hoffnungsschimmer.
Am Dienstag kam das unvermeidliche Motoren gegenan. Nur zwei der insgesamt 27 Meilen konnten wir segeln, und zwar im Peenestrom südlich der Krumminer Wiek. Hier erfüllte sich die Hoffnung vom Vorabend: die Sonne kam raus. Begonnen hatte der Tag aber zumindest trocken. Wir standen mit Wecker auf, frühstückten kurz und machten uns rechtzeitig auf den Weg, um die Öffnung der Zecheriner Brücke um 08:45 Uhr abzupassen. Von da an ging es zusammen mit zwei anderen Segelbooten auf dem Peenestrom bis zur Brücke Wolgast, die um 12:45 Uhr öffnete. Nach rund sieben weiteren Meilen erreichten wir den schönen und aus der Zeit gefallenen Fischereihafen Freest, dem wir bereits im vergangenen Jahr einen Besuch abgestattet hatten. Der Hafenmeister wies uns einen Platz an der Pier von Seenotrettung, Lotsenboot und Fähre an.
Glücklich und zufrieden in Freest
Beim Fischer nebenan konnten wir das Wechseln eines Schleppnetzes beobachten. Das war mühsam und hatte nichts mit Sportfischerei zu tun. Nachts tuckerte er los und steuerte die Fanggründe an. Die Stimmung unter den Fischern ist nicht gut. Der wertvolle Fang ist stark kontingentiert; der Rest lohnt kaum noch die Mühe.
Nun hatten wir noch zwei Tage, bevor diesmal Oswald und Alfons den Weg nach Berlin antreten mussten. Bei vorhergesagten Winden aus Nordwest nahmen wir uns als Zwischenziel Lauterbach auf Rügen vor, bevor es in den Ryck nach Wieck (östlich Greifswald) gehen sollte. So warteten wir am Mittwoch das Auffrischen des Windes sowie das Erscheinen des Tankwarts von der Genossenschaft in Freest ab und machten uns um zehn Uhr auf den Weg in den Greifswalder Bodden. Nachdem wir das Gewässer nach gut vier Meilen unter Motor durch die Fahrrinnen erreicht hatten, stoppten wir die Maschine und kreuzten erst bei wechselnden Winden, dann bei zunehmendem Wind aus Nordwest nach Lauterbach.
Endlich wieder segeln!
Vilm, die unter Naturschutz stehende Insel vor Lauterbach, passierten wir an der Westseite und konnten somit bis kurz vor die Hafeneinfahrt segeln. Daniel testete abends die Wassertemperatur im Hafen und versuchte, die Logge freizubekommen. Einige Havel-Muscheln rieselten in den Ostseesand, die Logge zeigte am nächsten Tag aber weiterhin „0.0“ an.
Der letzte Segeltag dieser Crew brach am Donnerstag an. Die Windprognose verleitete zu frühem Aufstehen und Ablegen. Die Hafeneinfahrt wurde bereits ohne Motor unter Genua verlassen und den zweiten Kaffee und die Frühstücksbrötchen gab es unter vollen Segeln westlich von Vilm.
Ablegen, frühstücken und segeln!
Mit abflauendem, weil drehendem Wind erreichten wir alsbald das Fahrwasser von Greifswald. Hier kamen uns einige Segler mit Nordostkurs entgegen; zuerst mäßig am Wind, aber nach der Winddrehung sahen wir sie alle gen Norden kreuzen. Für uns war das Tagesziel bald darauf erreicht. Noch unter Segeln machten wir einen freien Liegeplatz am Nordufer des Ryck aus. Nachdem wir das angefallene Pfandgut in Bargeld verwandelt hatten, gingen wir bei herrlichem Wetter in den Vorgarten der schön gelegenen Pizzeria Al Porto. Nach etwas Entspannung an Bord, Alfons und Oswald hatten bereits auf See gepackt, gingen wir zur Bushaltestelle und verabschiedeten uns voneinander.
Am Freitagnachmittag, also einen Tag später, begann der zweite Teil dieses Törns! So ergab sich von Donnerstagabend bis Freitagmittag ausreichend Zeit, den Bericht für den ersten Teil zu schreiben, für das Abendessen einzukaufen, nochmal nach der Logge zu tauchen und zu duschen. Jim kam – aus Bad Oldesloe – als erster der neuen Mannschaft an Bord. Also gleich mal abgelegt und rund 9 Meilen zur Ansteuerungstonne und zurück gesegelt! Später kamen dann Rüdi, Hulk und Olaf und die Chaostruppe war komplett! Was für ein Wiedersehen, wo wir doch in unserer Jugend, die uns mehr oder weniger noch immer in den Knochen steckt, vieles gemeinsam erlebt haben!
Rüdi, Jimmy, Olf, Dani, Hulk (vlnr)
Am Samstag segelten wir bei 2-3 Windstärken aus Nordwest, später Nordost durch den Bodden nach Thiessow. Unterwegs vermuteten wir schon, eine auf einer Luftmatratze treibende und müde winkende Person an Bord nehmen zu müssen, aber nach genauer Beobachtung stellte sich heraus, dass es sich um eine Robbe auf einem Felsen handelte, der knapp über die Wasseroberfläche ragte. In Thiessow waren die Liegeplätze wie immer um diese Tageszeit knapp – wir fanden aber dann doch noch einen genau passenden Platz an der Kaimauer. Der Wind stand günstig: wir konnten den Grill ausschwenken und ohne Belästigung der Nachbarn Würstchen grillen und zu Currywurst mit Bratkartoffeln veredeln.
Grillen in Thiessow
Wir waren aber nicht nur an Bord aktiv: unsere trotz des heftigen Windes gestartete Drohne ist nur knapp der Abdrift auf den Bodden entgangen!
Am Sonntag hieß es, Rüdi in Wieck schon wieder abheuern zu lassen. Also einer von den Lehrern, auf die auch zu Wochenbeginn Verlass ist. So führte uns die erste Etappe des Tages bei etwa 4 Bft. aus Ost in nur rund drei Stunden wieder nach Wieck. Nach dem mittäglichen Verzehr der obligatorischen Fischbrötchen war der Tag noch nicht zu alt, um noch mal abzulegen und zu probieren, wie es sich bei weiterhin stabilem Ostwind der Stärke 4 gegenan kreuzen lässt. Über das Ergebnis waren wir geteilter Ansicht. Schlussendlich kreuzten wir eine Weile und liefen dann auf Raumschotkurs zurück. Da wir nicht nochmal in Wieck anlegen wollten, ankerten wir in der bei Ostwind leidlich geschützten Dänischen Wieck. Es folgten Kaffee und Kuchen, In-a-gadda-da-vida und ähnliche Musik, wieder ein herrliches Abendessen, ein grandioser Sonnenuntergang, ein weiter Sternenhimmel und ein kurzweiliger Film.
Vor Anker in der Dänischen Wieck – geschützt, aber trotzdem mit (erträglicher) Dünung
Um 09:40 Uhr lichteten wir am Montagmorgen den Anker und kamen direkt unter Segeln in Fahrt. Bei Wind aus Südost mit zwei bis drei Windstärken konnten wir optimal die Peenemündung anlaufen. Am frühen Nachmittag bargen wir die Segel und starteten den Motor, weil wir auf der Suche nach einer Versorgungsmöglichkeit waren. Peenemünde enttäuschte, aber die Marina Kröslin hatte eine große Auswahl an Notrationen. Nach erfolgtem Einkauf entschieden wir uns, noch wenige Meilen gen Norden in den immer wieder schönen Fischereihafen Freest zu segeln.
Freest Ahoi!
Im Hafenbecken kreisend nahm Hulk telefonisch Kontakt mit dem Hafenmeister auf, der uns den Platz eines ausgelaufenen Fischerbootes anbot. Hierfür fielen auch keine Hafengebühren an, da nur die Plätze für die Yachten abgerechnet werden. Wir machten einen kleinen Strandausflug und ließen wieder die Drohne fliegen. Abends kamen Hulk und Olaf noch mit Clemens ins Gespräch, der uns zu sich nach Wolgast einlud. In der Hafenbar spielte ein Live-Band mit unglaublichem Repertoire an Rock-Klassikern.
Nach einer Kabellänge unter Motor setzten wir am Dienstagmorgen bei zwei Beaufort aus Nord in der Hafenausfahrt die Segel, um – teils unter Blister – nach drei Stunden und 7 Meilen direkt nördlich der Klappbrücke von Wolgast anzulegen.
Wer von Bord muss, darf noch mal steuern – für die anderen gibt’s Bier
Bis zur Öffnung der Brücke hatten wir eine gute Stunde Zeit. Jim musste sich auf den Weg zum Bahnhof machen. Olaf und Hulk gingen zu Besuch zu Clemens, unserer Bekanntschaft vom Vortage. Bei der Fahrt durch die Brücke spielte uns Clemens ein Ständchen auf der Trompete.
Was für Begegnungen! Komplett unter Segeln ging es dann bis vor die Zecheriner Klappbrücke, wo wir wiederum ankerten. Nach all den Übungen mit der Drohne, insbesondere auch mit dem Einfangen des Biestes, gab es nunmehr einen aufregenden Jungfernflug über freies Wasser … und eine alternativlose Landung in Hulks Händen.
Sonnenuntergang und Hirschröhren machten auch diesen Ankerabend zu einem unvergesslichen Erlebnis von Freiheit.
Am Mittwoch sollten die letzten 45 Meilen des Törns bis zur Marina Goclaw in Stettin zurückgelegt werden. Also war frühes Aufstehen geboten. Schon um 05:30 Uhr passierten wir bei dichtem Nebel die Zecheriner Brücke.
Erste Brückenöffnung des Tages
Nur mit vereinter Sehleistung brachten wir die ersten Meilen durch Nebel und Dunkelheit ohne Grundberührung und Kollision hinter uns. Das Haff war spiegelglatt und die Fischerboote boten bei Sonnenaufgang einen schönen Anblick. Leider mussten wir an diesem Tag aufs Segeln verzichten. Erst gab es keinen Wind, dann kam er, aber für die Einfahrt in die Odermündung aus der falschen Richtung. Im uns nach all den Jahren sehr vertrauten Ziegenort machten wir einen Zwischenstopp, um unsere Bäuche und unseren Dieseltank zu füllen. Gestärkt ging es an die letzten Meilen die Oder hinauf. Als wir in der Marina Goclaw einliefen, waren die meisten Vorbereitungen zum Mastlegen bereits erledigt. Am Abend lag der Mast und die Crew war nun verdonnert, den Weg nach Berlin anzutreten.
Am Donnerstag ging es auf den üblichen Weg durch die Kanäle und Binnenwasserstraßen.
Aufbruch bei Sonnenaufgang – Adieu Marina Goclaw
Olaf ist immer im Dienst: Er musste just am Liegeplatz hinter der Schleuse Hohensaaten West ein Online-Seminar betreuen, was uns etwas in Zeitnot brachte. Es ging dann gerade noch rechtzeitig weiter, so dass wir noch kurz vor Dienstschluss und schon bei Dunkelheit im Trog des Schiffshebewerkes Niederfinow nach oben fahren konnten. Wir legten anschließend im Wartebereich des Hebewerkes an, wo wir in den verdienten Schlaf fielen.
Letzte Bewegung vor Dienstschluss
Am Freitag nahmen wir die letzte Etappe. Und um das ständige Schrumpfen der Crew nicht zu vernachlässigen, rief Olaf kurz vor der Schleuse Spandau höflich und charmant ein Treetboot herbei, um an Land zu kommen.
Abheuern oder anheuern? Oder einfach nur eine Kreuzfahrt?
Hulk und Daniel erreichten am Abend den heimatlichen Liegeplatz und verließen als letzte glücklich und zufrieden, wie alle Teilnehmer dieses Törns, die Eilunh.
Es war wieder herrlich! Es könnte schon wieder losgehen!
… Tags drauf wurde der Mast gesetzt, um die Saison in Berlin weiter genießen zu können.